Die Rotunde oder: Der Betonklotz des Wurstelpraters

Text/Foto: Jan Tulej

Die Rotunde ist heute nur noch wenigen Wiener:innen ein Begriff. Dabei war dieses architektonische Juwel einst das Herzstück der Weltausstellung 1873 – ein monumentaler Rundbau mit einer 84 Meter hohen Kuppel, damals die größte der Welt.

Die Rotunde war nicht nur Ausstellungshalle, sondern auch ein Symbol für Innovation und Fortschritt. Sie galt als Wahrzeichen, das in seiner Bedeutung mit dem Stephansdom mithalten konnte – gewissermaßen Wiens Eiffelturm, 20 Jahre vor dem eigentlichen Eiffelturm.

Doch ihre Geschichte nahm ein tragisches Ende: 1937 wurde sie durch einen Brand vollständig zerstört. Heute erinnern nur noch die gleichnamige Haltestelle der Liliputbahn sowie Rotundenbrücke, Rotundenallee und Rotundenplatz an das einstige Bauwerk, das sich etwa dort befand, wo heute die WU-Bibliothek steht.

Vor einigen Jahren kursierten Berichte über einen möglichen Wiederaufbau. Zum 150. Jubiläum der Weltausstellung 2023 sollte die Rotunde neu erstrahlen. Eine Vermutung bei der Bezeichnung „Neue Rotunde“: Plant die Messe Wien etwa einen historisch inspirierten Nachbau für eine ihrer Hallen? Das wäre eine willkommene, wenn auch gewagte Idee. Doch dahinter verbirgt sich das „Praterpanorama“, eine neue Attraktion im Wurstelprater. Eine kleine Replik mit nostalgischem Charme hätte vielleicht ihren Reiz gehabt, doch stattdessen wurde ein massiver Betonklotz errichtet – mit einer Ästhetik, die eher an eine Industrieanlage als an ein historisches Wahrzeichen erinnert.

Das Jubiläumsjahr 2023 verstrich ohne die erhoffte Eröffnung des „Praterpanorama“. Seit Monaten ruht der Bau, und ein Eröffnungstermin ist nicht in Sicht. 

Anonym, Wiener Photographen-Association, 1873, Public domain, via Wikimedia Commons 

Der Betonzylinder steht trostlos in der Gegend, und die einzige „Attraktion“ auf der Parzelle ist ein einsamer Kaffeeautomat.

Ob das „Praterpanorama“ jemals seine Pforten öffnet, bleibt ungewiss. Doch eines steht fest: Dieser schmucklose Bau hat mit der einstigen Rotunde nichts gemein. Ein 3D-Kino oder eine Panoramahalle mag im Wurstelprater seinen Platz haben, aber von einer Renaissance des historischen Wahrzeichens kann keine Rede sein. Egal, wie viel Fassadenbegrünung noch hinzukommt – es sollte nicht „Rotunde“ genannt werden.

Ein Wahrzeichen lässt sich eben nicht einfach gießen – schon gar nicht in Beton.