Der Lärm des Erzählten. Lisa Mundts Roman „Als meine Therapeutin schwieg“.

von Marina Rauchenbacher

“Ich neige meinen Kopf etwas zur Seite. Ihr Blick fokussiert mich. Sie blinzelt.” Lisa Mundts Debütroman Als meine Therapeutin schwieg erschien im Herbst 2019 bei Milena und erzählt von großen Verletzungen in größtmöglicher Gelassenheit und eindringlicher Präzision. Dem titelgebenden Schweigen werden detaillierte Beschreibungen zwischenmenschlicher Prozesse gegenübergestellt, die gleichsam eine visuelle Präsenz des Erzählten schaffen.

Lisa Mundt ist Autorin und Lehrerin an einer Neuen Mittelschule in Ottakring. Ende 2019 erschien ihr erster Roman „Als meine Therapeutin schwieg“ im Milena Verlag.
Foto: Roman Picher

Erzählt wird aus der Perspektive der Psychotherapeutin Tina K.

Tatsächlich bestimmt nämlich ihr Schweigen, das – bzw. dessen Bruch – zum zentralen Thema des Romans wird, auch den Erzählstil. Die Leser*innen erfahren nur das, was für Tina sagbar ist. Wie sich herausstellen wird bzw. bald vermutet werden kann, steht dahinter ein eigenes traumatisches Erleben; Perspektive und Erzählstil spiegeln somit ihre psychischen Prozesse bzw. ihr un-sagbares, nicht und schließlich nur zögerlich mitteilbares Leiden.

Tina K.s Erleben wird entlang von privaten Beziehungen – etwa mit ihrer Partnerin Martha – und professionellen erzählt.

Simon leidet an Depressionen, Adriana ist Borderline-Patientin und Adil hat seine Mutter verloren. Dabei ist Tinas professionelle Haltung aufgrund des eigenen Traumas gefährdet und sie kann ihren Patient*innen gegenüber nicht mehr mit entsprechender Verantwortung sowie aus entsprechender Distanz agieren. Zur Gesprächspartnerin wird ihr schließlich nicht die Supervisorin, sondern eine Patientin.

Als meine Therapeutin schwiegkonfrontiert die Diskussion ethischer Grundsätze in der Psychotherapie, denen Tina K. verpflichtet ist, mit individuellen Bedürfnissen, die sich eben nicht unbedingt diesen Verpflichtungen unterordnen lassen.

Tina ist nicht nur Therapeutin, sondern auch Patientin. Lisa Mundt, selbst angehende Psychotherapeutin, findet eine gelassene und zurückhaltende, aber gleichsam eindringliche Sprache und entwirft mit diesem Roman einen supervisorischen Prozess oder eine Form der Meta-Therapie, in der der Lärm des Schweigens exzeptionell greifbar wird.

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