MARIETTA PEYFUSS, Dess. 3923, 1900 © Backhausen-Archiv, Vermächtnis von Frau Dr. Louise Kiesling, Dauerleihgabe im Leopold Museum

Poesie des Ornaments im LEOPOLD MUSEUM

Poesie des Ornaments im LEOPOLD MUSEUM
Mit „Poesie des Ornaments" stellt das Leopold Museum einen Archivausschnitt des traditionsreichsten österreichischen Textilunternehmens Backhausen aus, das im Jahr 2023 nach dem Tod von Frau Dr. Louise Kiesling als Dauerleihgabe an das Leopold Museum gegangen ist. Gemeinsam mit der „Wiener Werkstätte", einer zwischen 1902 und 1932 bestehenden Wiener Künstlervereinigung, entstanden Textildesigns, die bis heute in der Wiener Stadtkultur fest verankert sind.



Wie es für Architekt*innen wie Josef Hoffmann üblich war, arbeiteten Künstler und Handwerker ganzheitlich: Architektur, Interieur und Dekorationen gehörten zu einem Gesamtkonzept, das in der Ausstellung auf Schwarz-Weiß-Fotografien von Salons der wohlhabenden Gesellschaft Wiens zu sehen ist.

Werke stilprägender Größen wie Koloman Moser, dessen Ornamente und Designs gern von Otto Wagner eingebunden wurden, sowie zahlreicher Designerinnen wie My Ullmann zeigen die Vielfalt an Designs, die vor einhundert Jahren en vogue waren.

Die Schau illustriert Originalentwürfe der 1849 gegründeten Firma, die zwei Jahre nach ihrem Konkurs 2012 von der Porsche-Urenkelin gekauft und weitergeführt wurde.
Die beiden Kuratorinnen, Ursula Oswald-Graf und Aline Marion Steinwender, wählten aus 11.000 Entwürfen und Designs repräsentative Exponate und gestalteten eine Zeitachse, die sich über die Jahre 1890 bis in die Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts mit einem Einblick in die Zeit des Ersten Weltkriegs erstreckt.

Etwas schade ist diese zeitliche Eingrenzung schon. Interessant wäre durchaus gewesen, was mit dem Unternehmen während des Zweiten Weltkriegs geschah. Auf Anfrage erfuhren wir, dass das Unternehmen auf die Kriegsgüterproduktion umgestellt wurde und Decken und Fahnen genäht wurden. Welche Ornamente in dieser Zeit bevorzugt wurden?
Das Ornament als wahrscheinlich erste künstlerische Äußerung des Menschen, noch vor figürlichen Darstellungen, deren Geschichte, Entwicklung und Bedeutung in den vielen Kulturen wäre ein noch viel breiteres Feld für eine Ausstellung, die über die im Zusammenhang mit dem Traditionsunternehmen geschaffenen Werke hinausgehen könnte.

Die Zusammenarbeit zwischen Kunst und Bauhandwerk

Trotz der heutzutage in der Architektur gängigen Reduktion auf Funktion und geringe Baukosten ist uns das Ornament als idealisierte Natur immer noch sehr nahe.

Neue Techniken ermöglichen auch mit geringem Aufwand, etwas Ästhetisches – Menschliches – in unsere Umgebung einfließen zu lassen. Das passiert zurzeit wenig. Das Unternehmen Backhausen pflegte anscheinend schon vor dem ganzheitlichen Ansatz des „Bauhaus" eine enge Zusammenarbeit von Kunst und Wirtschaft, die viele dieser außergewöhnlichen Bauwerke und Stile erst möglich machte.

Wäre es nicht schön, wenn wir mehr bewundern könnten, als die fantasielosen, neuen (Gemeinde-)Bauten? In den 1950er Jahren gab es in Wien schließlich ein Revival der Zusammenarbeit zwischen Kunst und architektonischem Handwerk. Die „Kunst am Bau" zeigte sich in Mosaiken und Skulpturen an den Gebäudefassaden. Die Budgets gibt es dafür, aber gibt es die Zusammenarbeit, die dem Ornament im Design und der Architektur eine neue Bedeutung und eine zeitgemäße Form geben könnte?

Dazu ist diese Ausstellung auf jeden Fall eine große Inspiration.
13.11.2024–09.03.2025
Spaziergangwürdigkeit
6
Augenweide oder Augenreibe
8
Gedankenanstoß
5
Gesprächsstoff
5
Wienbezug
10
Leserwertung2 Bewertungen
7.9
6.8
13.11.2024–09.03.2025

FOTOGRAFIE, Treppenhaus im Palais Stoclet, in: Moderne Bauformen, XIII. Jg., Heft 1, S. 22, 1914 
© Universitätsbibliothek Heidelberg

KOLOMAN MOSER (Entwurf), Dess. 3715, 1899 
KOLOMAN MOSER (Entwurf), Dess. 3907, 1900 
MY ULLMANN (Entwurf), Dess. 10608, 1929 
KOLOMAN MOSER, Backhausen (Ausführung), Dess. 3907, 1900 
© Backhausen-Archiv, Vermächtnis von Frau Dr. Louise Kiesling, Dauerleihgabe im Leopold Museum

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