Kimchi: Über fermentierte Beilagen im Einmachglas

Saly und Ulrich Wolfger verbinden mit „b*l*v*b“ (ausgesprochen: blub) traditionelle Gemüsezubereitung aus Korea mit Zutaten aus lokalem Anbau. Im März öffnen sie ihr Geschäft in der Weyprechtgasse 12.

Saly und Ulrich betreiben seit fast fünf Jahren einen Stand am Yppenmarkt.
Bild: zvg b*l*v*b | blub

Seit fast fünf Jahren betreibt das junge Ehepaar einen kleinen Stand auf dem Yppenplatz. Man findet dort nach koreanischer Tradition fermentiertes Gemüse, Senf und diverse Chutneys. Sowohl Saly als auch Ulrich kommen aus der gehobenen Gastronomie, sammelten Kocherfahrungen rund um den Globus und fassten schließlich den Entschluss, den kulinarischen Trend, der in Asien und Nordamerika lange Fuß gefasst hat, nach Österreich zu holen.


„Für Köche ist Österreich ein kulinarisches Paradies. Die Qualität der Lebensmittel ist unschlagbar!“

Ulrich Wolfger von b.l.v.b.

Ich treffe die beiden vor ihrem Geschäft, das sich direkt hinter dem Yppenplatz befindet. „Es ist noch ein richtiges Chaos.“, lacht Saly und zeigt mir, wie das Geschäft in Zukunft aussehen wird. „Dort hinten kommt ein Lagerraum rein. Hier verkaufen wir unser Kimchi und dort produzieren wir. Unsere Kunden sollen sehen, wie Kimchi entsteht. Der Produktionsprozess allein ist schon faszinierend!“.

Was kommt in ein klassisches Kimchi? Wie wirkt sich fermentiertes Gemüse auf den Körper aus, und wie sieht es hinter den Kulissen von b.l.v.b aus? Die Antworten findest Du im Video. (c) Ottakringer Flaneur

Ottakringer Flaneur:Was ist Kimchi?

Ulrich: Die Kurzfassung wäre es, Kimchi als koreanisches Sauerkraut zu beschreiben. Das ist aber eine sehr kurze Umschreibung. Es dauert mindestens drei bis vier Wochen, bis ein Kimchi reif genug ist, um sich Kimchi nennen zu können. Ansonsten wäre es eingelegtes Gemüse, so wie wir es kennen.​

Saly: In Korea wird prinzipiell alles, was eingelegt ist, als Kimchi bezeichnet. So, wie man im englischen Sprachraum dazu „Pickles“ sagt.

Kimchi kann man auf unzählige Arten zubereiten
Bild: b*l*v*b | blub

Ulrich: Es ist aber die Milchsäuregärung, die Kimchi von anderem eingelegten Gemüse unterscheidet. Ganz ähnlich wie beim Sauerkraut, wird das Gemüse zunächst in gesalzenes Wasser gelegt. Die Menge des Salzes hat dabei den entscheidenden Einfluss auf die Gärung. Ein klassisches Kimchi besteht aus Chinakohl, Knoblauch, Rettich, Chili und Meeresfrüchten, die gekocht, getrocknet und dem Gemüse beigefügt werden.

Saly: Der Fisch und die Meeresfrüchte machen den Geschmack erst so richtig funky. Es ist eine ganz bestimmte Säure, die hier dominiert. Das Gemüse liegt einige Wochen in Tontöpfen, bis es die richtige Geschmacksnote bekommt.

Für unsere Kunden produzieren wir sehr unterschiedliches Kimchi. Wer keinen Fisch mag, kann die vegane Variante wählen und, wir unterscheiden zwischen weißem und rotem Kimchi (mit reichlich Chili). Es ist für jeden etwas dabei.

Fermentierte Käferbohnen haben wir auch. Man kann wirklich aus allem Kimchi machen. Da wir ausschließlich saisonales Gemüse von lokalen Zulieferern nutzen – entweder direkt vom Markt oder von Bauern in der Umgebung –, sind unsere Produktreihen sehr schlank gehalten. Wir verarbeiten das, was uns die Natur gerade anbietet.

Ulrich: Mit lokalen Zulieferern zu arbeiten ist besonders spannend. Viele wissen oftmals nicht, dass ihre Produkte auf so vielfältige Weise zubereitet werden können. Wir bringen ihnen oft ein Glas mit und die Reaktionen sind herrlich!


Ein natürlicher Vitamin C Speicher mit 3000 Jahre langer Tradition:

Lebensmittel zu fermentieren, um sie haltbar zu machen, war in vielen Teilen der Welt seit Jahrtausenden gängig und manchmal die einzige Möglichkeit wichtige Mineralien und Vitamine auch im Winter verfügbar zu machen.
(c) b*l*v*b | blub

OF: Bei fermentiertem Gemüse denke ich sofort an einen Haufen Bakterien.

Ulrich: Der hohe Salzgehalt gibt Keimen, die bei Rohkost für uns Menschen gefährlich werden können, wie Salmonellen beispielsweise, keine Überlebenschance. Gleichzeitig entstehen viele Bakterien, die der Darmflora sehr guttun und sie – wie wir es sagen – trainieren. Es ist ratsam, sich langsam an Kimchi heranzutasten. Es regt die Verdauung an.

Saly: In unserer heutigen Gesellschaft haben wir etwas ganz Entscheidendes verlernt. Wir hören nicht mehr auf unseren Darm. Wir sprechen zwar vom Bauchgefühl oder den Schmetterlingen im Bauch, aber was ziehen wir aus den alten Redensarten?

Dass sich die Gesundheit unseres Darms auf unser Gemüt auswirkt, beweisen immer mehr Studien. Das war für uns mit ein Grund dafür, Kimchi auf den Markt zu bringen. Wir möchten unseren Kunden das Gefühl von Ausgeglichenheit, Ruhe und Geborgenheit in einem kleinen Einmachglas mitgeben.

Gelbe Rüben fermentiert mit Kren.
Bild: b*l*v*b | blub

OF: Wie esse ich Kimchi und womit kombiniere ich es? Gibt es ein Anfängerrezept?

Ulrich: Kimchi kann man mit allem essen. Es gibt aber ein Rezept, dass wir mindestens ein Mal in der Woche zubereiten: Du kochst etwas Reis, gibst etwas Kimchi und ein weich gekochtes Ei hinzu. Sobald sich das Eigelb mit dem Reis und dem Kimchi verbindet, wird es himmlisch!

Saly: Das Ei kann pochiert, gekocht, angebraten oder direkt in den Reis gegeben werden. Das Gericht ist ein Traum!

Kimchi-Pancakes
Bild: b*l*v*b | blub

OF: Wie seid Ihr auf den Geschmack von Kimchi gekommen?

Saly: Das war noch in Kanada. Ich bin in Toronto aufgewachsen. Mein Vater, der selbst ein fantastischer Hobbykoch ist, hat mir beigebracht, immer nach neuen Geschmacksrichtungen zu suchen. Als ich Ulrich bei der Arbeit kennen lernte, war schnell klar, dass wir diese Neugierde teilen.

Das war der Beginn unserer gemeinsamen Reise, die bis heute andauert. Wir gingen zunächst nach Vancouver, wo die Asiatische Community um einiges größer ist und dort ging es so richtig los.

Saly und Urlich loten die Grenzen von Kimchi aus: Eierschwammerl in hausgemachtem Essig aus wilden Heidelbeeren, Kiefernnadeln, -zapfen und Isländisch Moos. Bild: b*l*v*b | blub

Ulrich: Wir haben einige koreanische Freunde in Kanada, die so sehr an den Geschmack von Kimchi gewöhnt sind, dass sie immer ein kleines Glas davon bei sich haben. Das war am Anfang fast beklemmend.

Einmal sind wir zum Italiener essen gegangen und sogar dort packten sie ihre Gläser aus. Ich glaube, wer auf den Geschmack von Kimchi gekommen ist, der entwickelt eine Art Sucht. Heute verstehen wir, das Verhalten unserer Freunde.

Saly: Nachdem wir nach Wien gezogen sind, haben wir uns natürlich auf die Suche nach Kimchi gemacht. Wir gingen regelrecht auf Kimchi-Jagd. Es gibt zwar ein recht gutes Angebot in Wien, aber es war aber zu selten das, was wir uns unter richtigem Kimchi vorgestellt haben. Deshalb wollten wir es selbst produzieren.

OF: Ihr wart viel in der Welt unterwegs. Europa, Asien, Nordamerika, Australien, … Was hat Euch nach Österreich – und genauer – an den Yppenplatz geführt?

Saly: Als ich das erste Mal Ulrichs Familie in der Steiermark kennenlernte, war ich überwältigt von der Wärme und der Gastfreundlichkeit, die mir entgegengebracht wurde. Es war wie im Märchen.

Die Landschaft und die Menschen waren so besonders. Sie lieben es, ihre Familie um sich zu haben, sie lieben es zu essen, zu trinken und eine gute Zeit miteinander zu verbringen. Mir war sehr schnell klar, dass ich mich hier wohlfühlen würde.

Ulrich: Für Köche ist Österreich ein kulinarisches Paradies. Die Qualität der Lebensmittel ist unschlagbar. Du kommst sehr schnell an Zutaten aus biologischem Anbau. Am Yppenplatz haben viele Bauern und lokale Lebensmittelhersteller ihren Stand.

Es ist einer der Märkte, die wirklichen Marktcharakter haben. Deshalb haben wir beschlossen, genau hier nach einer Ladenfläche für b*l*v*b zu suchen und sind vor Kurzem auch privat nach Ottakring gezogen.

Wer sich noch nicht so gut auskennt, darf sich durch die Kimchis von Saly und Ulrich durchprobieren. Bild: b*l*v*b | blub

Saly: Es gibt in Wien viele Märkte, wie den berühmten Naschmarkt oder den Karmelitermarkt. Märkte dieser Art gibt es in Toronto oder Vancouver natürlich auch. In Kanada, wie auch in Nordamerika, wird aber immer noch viel in Supermärkten eingekauft.

Wenn Du Gemüse oder Fleisch hoher Qualität von lokalen Produzenten kaufen willst, wird es schnell sehr teuer. Es ist ein Lebensstil, den sich nicht viele leisten können. Das ist hier vergleichsweise anders.

OF: Immer mehr Menschen gehen auf kulinarische Jagd. Der Trend, unterschiedliche Ramen (japanische Nudelsuppen) zu essen oder so viele Gin Sorten oder Craft Biere wie möglich auf seiner Erlebnisliste zu haben, hat Kultstatus eingenommen. Gehört Kimchi in Wien auch zu einem solchen Trend?

Ulrich: Es geht ein wenig in die Richtung. Vom Kultstatus kann man aber nicht sprechen. Kimchi ist vielen noch fremd. Sobald an unserem Stand das Wort „fermentiert“ fällt, siehst Du, wie bei den Leuten die Augen aufgehen. Dabei ist Kimchi dem Sauerkraut, das wir in Österreich gut kennen und mögen, sehr ähnlich.

Saly: Viele unserer Kunden kommen jeden Samstag zu uns, probieren sich durch alle unsere Produkte und nehmen sich das Kimchi mit, das ihnen am besten geschmeckt hat. Sie sind schnell Teil unserer b*l*v*b-Familie.


Seit 2014 betreiben Saly und Ulrich ihren Stand auf dem wöchentlich stattfindenden Bauernmarkt am Yppenplatz. Bild: b*l*v*b | blub

Wir umarmen uns zur Begrüßung und erzählen von der Woche. Einige Kunden kennen uns schon so gut, dass sie sogar beim Beraten und Verkaufen mitmachen, wenn die Menschentraube um den Stand zu groß wird. Es ist schön, dass sich immer mehr Menschen bei uns willkommen fühlen. Das soll in unserem Geschäft auch so sein.

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