Umbau der Thaliastraße Foto: M.Nachtschatt

Die Thaliastraße wirft sich in Schale

Ottakrings zentrale, aber in die Jahre gekommene Einkaufsstraße soll sich in eine hübsche Flaniermeile verwandeln. Der erste Abschnitt der Umgestaltung ist bereits fertig. Aber nicht alle im Bezirk sind mit dem Projekt einverstanden.

Text:Johannes Lau

Sie ist ein heißes Pflaster – gerade im Sommer. Viel befahren, stark belaufen, eng bebaut: Auf Ottakrings beliebter Einkaufsstraße steht vor allem in der heißen Jahreszeit die Luft. Das ist schon seit Jahrzehnten so. Daher beschloss die Bezirksverwaltung 2020 eine umfangreiche Umgestaltung dieser circa 2,8 Kilometer langen Hauptverkehrsader. Circa acht Millionen Euro wird das Projekt „Thaliastraße NEU“ kosten.

Die Finanzierung teilen sich der Bezirk, die Stadt Wien und die Europäische Union. Bezirksobmann Franz Prokop (SPÖ) skizziert das Vorhaben: „Wir wollen die Thaliastraße in ihrer Funktionalität attraktivieren und gleichzeitig für die Herausforderungen der Zukunft wappnen. Das Ziel der Umgestaltung ist eine klimafitte Einkaufsstraße zu gestalten, die für Bewohner*innen und Geschäftsleute attraktiv ist, zum Flanieren einlädt und den klimatischen Rahmenbedingungen der kommenden Jahre entspricht.“

Zeitgemäßer Touch

Im Oktober wurde der erste Bauabschnitt vom Gürtel bis zur Kirchstetterngasse bereits fertiggestellt. Im November folgte der Bereich bis zur Feßtgasse, der zum 150-jährigen Jubiläum der Thaliastraße im nächsten Jahr abgeschlossen sein soll. Danach wird der Umbau abschließend bis hin zur Paltaufgasse finalisiert. Und was passiert konkret in diesen Abschnitten? Prokop: „Es entstehen gerade über 90 neue Baumstandorte in und um die Thaliastraße, die künftig für Abkühlung im dicht besiedelten Gebiet sorgen.“ Darüber hinaus werde die Straße bald von einem sechs Meter breiten Gehsteig auf beiden Seiten und zahlreichen Sitzgelegenheiten geprägt sein. Der drei Zentimeter hohe Gehsteigabsatz biete zudem Barrierefreiheit, die zahlreichen Nebelsäulen und Wasserspiele sind vor allem für die Kinder in Ottakring gedacht. Der Bezirksvorsteher hofft, dass der gesamte Umbau Schule in ganz Wien macht: „Wir würden uns freuen, wenn die Thaliastraße NEU künftig als Beispiel für weitere Umgestaltungen dient, die unsere Stadt noch lebenswerter zu machen.“

Auch die Wirtschaftskammer ist davon bislang angetan: „Ich finde es gut, dass die Thaliastraße nun einen modernen und einer Einkaufsstraße entsprechenden zeitgemäßen Touch bekommen hat“, freut sich Verena Wiesinger, die WKO-Obfrau des 16. Bezirks. „Aufgrund dessen, dass auf der Thaliastraße sehr lange nichts gemacht wurde, war es durchaus notwendig, dass sie das Aussehen und die Funktionalität einer modernen Einkaufsstraße erhält. Die Thaliastraße war zwar auch vorher eine Einkaufsstraße mit guter Frequenz, aber sie war eben nicht mehr ausreichend attraktiv.“

Robuste Gestaltung

Deshalb seien die Unternehmen in der Straße angesichts des Umbaus positiv gestimmt: „Sie gehen davon aus, dass der Umbau für eine Belebung sorgt, weil die Kunden sich hier nun wohler fühlen, länger verweilen und somit noch mehr einkaufen.“ Und das gelte nicht nur für den gerade fertiggestellten Abschnitt: Auch weiter stadtauswärts siedeln sich bereits in der Straße neue Unternehmen an. Wie genau sich die Geschäfte durch diese Renovierung bereits verbessert haben, kann Wiesinger noch nicht mit konkreten Zahlen belegen, dafür sei es noch zu früh: „Die erste Messung, dass eine Umgestaltung notwendig war und dass sie auch erfolgreich umgesetzt wurde, wird das Weihnachtsgeschäft zeigen.“

„Es ist ein klares Bekenntnis zu einer Einkaufsstraße, die vor allem von Fußgängern benutzt wird.“

Für die Planung dieses Großumbaus ist das Architekturbüro DnD Landschaftsplanung verantwortlich. Roland Barthofer hat das Konzept entworfen: „Wir haben versucht, eine robuste, langlebige und auch zeitlose Gestaltung zu machen, die sich nicht aufdrängt, aber schon speziell ist. Es ist ein klares Bekenntnis zu einer Einkaufsstraße, die vor allem von Fußgängern benutzt wird. Demzufolge ist für diese auch der Raum größer geworden. Man kann sich jetzt schon gar nicht mehr vorstellen, wie es mit weniger Platz funktioniert hat.“ Dennoch haben die Planer darauf geachtet, dass es für die Geschäfte noch genug Möglichkeiten für den Anlieferungsbetrieb gibt. Aber: „Es ist definitiv keine Parkstraße mehr, in der ich mein Auto abstellen kann und es da übers Wochenende stehen lasse. Ich glaube ohnehin, dass man das einer Einkaufsstraße wie der Thaliastraße auch nicht abverlangen kann.“

Ausschließlich online

Das gefällt jedoch nicht allen im Bezirk. Gerade über das Verschwinden vieler Parkplätze beschwert sich etwa die ÖVP: „Von 250 Parkplätzen im ersten Abschnitt sind rund 150 weggefallen“, kritisiert Bezirksobmann Stefan Trittner. „Das ist in der jetzigen Form vor allem für die Anrainer ein Problem, die abends nachhause kommen und dann auf der Suche sehr lange um den Block fahren müssen. Und das kann ja nicht im Interesse des Klimaschutzes sein, wenn so noch mehr Emissionen entstehen.“ Auf die Kritik entgegnet Bezirksvorsteher Prokop: „Eine klimafitte Straße und deren positive Effekte auf Lebensqualität, Umwelt und Wirtschaft kann nur durch Bäume, Wasser und Steigerung der Aufenthaltsqualität erzielt werden, das steht auch unter ExpertInnen außer Streit. Die Thaliastraße NEU ist ein Kompromiss der verschiedenen Interessen für eine klimafitte und zukunftsorientierte Einkaufsstraße.“

Darüber hinaus stört sich die ÖVP an dem Ablauf des Bürgerbeteiligungsverfahrens, das vor der Projektausschreibung durchgeführt wurde. Die Ottakringer Bevölkerung war dazu aufgerufen, vorab ihre Wünsche und Vorstellungen für die angedachte Umgestaltung mitzuteilen. Bedingt durch die Pandemie wurden die Umfrage aber ausschließlich online durchgeführt: „Dadurch hatten viele, vor allem ältere Menschen, nicht die Möglichkeit teilzunehmen“, bemängelt Trittner. „Wir haben eine Bürgerbefragung beantragt, die unverständlicher Weise abgelehnt wurde.“ Seiner Meinung nach hätte man daher mit dem Projekt warten sollen, bis wieder die alte Normalität eingekehrt ist.


Ohne Plan geht nichts: Roland Barthofer vom Architekturbüro DnD Landschaftsplanung zeichnet den Entwurf für die neue Thaliastraße.
© Kerstin Ohler

Große Beteiligung

Die Gebietsbetreuung der Stadt Wien, die das Beteiligungsverfahren durchgeführt hat, spricht dagegen von einem großen Erfolg. So berichtet der zuständige Leiter Florian Brand: „Es wurden um die 2000 Online-Fragebögen ausgefüllt und es haben sich auch viele Leute per E-Mail und Telefon gemeldet, sodass sich fast 3000 Personen beteiligt haben. Das ist ein Spitzenwert: Wenn wir solche Befragungen sonst analog machen, sind dagegen 150 Menschen schon häufig viel.“ Daher bildet laut Brand diese Befragung die Forderungen der betreffenden Anwohnerinnen und Anwohner gut ab, sodass die auch von der ÖVP geforderte bezirksweite Bürgerbefragung über das Projekt nicht notwendig sei: „Die meisten, die die Umgestaltung in erster Linie betrifft, sind nun einmal die, die im direkten Umfeld der Thaliastraße leben und das sind circa mehrere Tausend.“

Eine weitere Kritik hört man im Bezirk: Der Umbau der Straße sei ein Indiz für eine voranschreitende Gentrifizierung des Stadtteils. Diesen Einwand kann wiederum Planer Barthofer nicht verstehen: „Gentrifizierung ist es für mich, wenn dahinter ein Plan steckt, der kommerzielle Interessen verfolgt. Hier hat eine gewählte Bezirksvertretung entschieden, etwas besser zu machen. Und wenn ich die Qualität von einem öffentlichen Straßenraum hebe, kann es natürlich sein, dass Leute finden, dass es sich lohnt, hierher zu ziehen.“ Ob das gut oder schlecht ist, darüber lässt sich wohl immer diskutieren.

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