TEXT/RAHMEN: Ein Indiebook-Verlag aus Ottakring

„Suche Gitarristen für Hardcore Band!“. Mit dieser Anzeige im Internetforum Austria Hardcore fing alles an. Vor 17 Jahren gründeten Dominik Uhl und Michael Marlovics zusammen eine Band; 2015 folgte der gemeinsame Buchverlag TEXT/RAHMEN. Wieso die beiden Ottakringer diesen Schritt in Zeiten schrumpfender LeserInnenschaft wagen und was sie von anderen Verlagen unterscheidet, erzählen sie im Interview.


Dominik Uhl (l.) und Michael Marlovics (r.) gründeten vor 17 Jahren den Buchverlag TEXT/RAHMEN. © Kurt Prinz

Ottakringer Flaneur: Ihr kommt beide ursprünglich nicht aus der Buchbranche. Dominik, Du bist Artdirektor beim Magazin Verlag und betreibst das Plattenlabel Noise Appeal Records. Michael, Du bist Werbegrafikdesigner und OP-Assistent. Was hat euch gereizt, TEXT/RAHMEN zu gründen?


Mit der gemeinsamen Hardcore Band “ Worlds Between Us“ fing die Freundschaft von Michael Marlovics (Mitte) und Dominik Uhl (ganz rechts) 2002 an.
© Worlds Between Us

Michael: Geld verlieren … Nein, ich würde sagen, wir benötigen beide einen Trichter, um Dinge kreativ auszuschütten. Unser Motto war schon immer „Do it yourself!“. Ich habe mit 16 Jahren ein Fanzine gemacht, Dominik hat Konzerte organisiert.

Irgendwann haben wir Musik zusammen gemacht. Wir tun die Dinge einfach, weil wir sie machen möchten und sie sich gut anfühlen. Abseits etablierter Markt- und Kulturmechanismen.

Das trifft auch auf das Abenteuer Buchverlag zu. Wir haben uns nicht hingesetzt und einen Businessplan geschrieben. So simpel es klingt: Ich mag Bücher – zumindest seitdem ich nicht mehr zu Schule gehe. Während der Schulzeit habe ich nie gern gelesen.

Erst als der Druck weg war, habe ich Literatur für mich entdeckt. Mit 17 Jahren kaufte ich mir eine Reclam-Ausgabe von Kafkas „Das Schloß“. Das Buch hat damals einen irren Eindruck auf mich gemacht, das war meine Initialzündung.

Dominik: Wie toll, das wusste ich gar nicht!

OF: Wie habt ihr euch das nötige Know-how als Verleger angeeignet?

Dominik: Der Vertrieb von Platten und Büchern ist grundsätzlich ähnlich. Zuerst muss mir einmal das Produkt gefallen. Dann ist es wichtig, mit den KünstlerInnen bzw. AutorInnen eine gemeinsame Ebene zu haben und überzeugt von ihrem Konzept zu sein.

Der schwierige Part kommt dann: der Vertrieb, also das Buch in den Handel zu bringen.

OF: Was macht ihr anders als andere Verlage?

Michael: Wir lassen keine Marktforschung oder LektorInnenkonferenz entscheiden, was wir in unser Programm aufnehmen. Wir verlegen das, von dem wir glauben, dass es gut ist, das uns Freude bereitet und von dem wir hoffen, dass auch andere Menschen Spaß daran haben. Das geht oft gut, oft aber auch in die Hose.

Wir glauben dennoch fest daran, dass Dinge auch abseits der Dogmen des Buchmarktes funktionieren können.

OF: Wie sieht eure Programmausrichtung aus?

Dominik: Ich muss ehrlich sagen, ich habe diese noch nicht wirklich gefunden.


Michael: Wir haben durchaus unterschiedliche Meinungen zu eingereichten Manuskripten. Dann gilt es, den anderen zu überzeugen – oder eben auch nicht. Bislang haben wir Krimis, Fotobücher, Romane, aber auch Kurzgeschichten und Lyrik im Programm.

Das spiegelt unsere Persönlichkeiten wider: An einem Tag höre ich Jazz, an einem anderen Black Metal.

Dominik: Wobei das natürlich auch ein Nachteil ist. Leichter zu vermarkten wäre eine klare Verlagsausrichtung. Wenn TEXT/RAHMEN zum Beispiel ein reiner Graphic Novel Verlag wäre.

Michael: Das würde auch vom Verlagsnamen super passen. Ich würde sofort eine Graphic Novel verlegen.

Dominik: Ich weiß, ich auch!

OF: Was sind aus eurer Sicht die größten Hürden beim Bücher verlegen?

Dominik: In Medien unterzukommen und Öffentlichkeit zu schaffen. Darüber läuft der Absatz. Je öfter Du in Zeitungen und Magazinen präsent bist, desto mehr Bücher verkaufst Du.

Michael: Print wird über Print verkauft. Eine Rezension, allein in der Wiener Straßenzeitung Augustin, bringt immer noch mehr als 200 Instagram- oder Facebook-Postings.

OF: Ihr seid dennoch auf Social Media vertreten und dort mal mehr, mal weniger aktiv …

Michael: Ja, wir sind sicherlich im Moment weniger aktiv als wir sollten. Das neoliberale Konzept unserer Gesellschaft, immer mehr, immer weiter, sehe ich kritisch. Ich finde, manchmal ist es besser zu schweigen, als sich ständig selbst in den Himmel zu loben. Ich brauche keine 200 Likes, um etwas gut zu finden.

Dominik: Allerdings ist Social Media natürlich „part of the game“. Dem kann man sich heutzutage nicht mehr verweigern, sonst fällt man noch stärker durch den Rost, als man es als kleiner Indiebook-Verlag eh schon tut. Wenn ein großer Verlag mit 100.000 Followern auf Social Media eine Neuerscheinung bewirbt, dann funktioniert das wie eine Presseaussendung oder ein Zeitschriftenartikel.

Bei uns, mit rund 2050 Followern auf Instagram und 530 auf Facebook, funktioniert das nicht. Ich sehe die sozialen Medien eher als Informations- und weniger als Verkaufsplattform. Stichwort: Markenbindung.

Michael: Man sieht an unseren Buchcovern, wie wenig marktschreierisch wir sind. Ich glaube, um Menschen zum Lesen eines Buches zu bewegen, muss man sie auf emotionaler Ebene ansprechen. Wir haben bald Klausur und da wird genau das Thema sein.


Reduktion als Stilmittel lautet das Designkonzept von TEXT/RAHMEN. (© TEXT/RAHMEN)

OF: Glaubt ihr, dass ihr irgendwann von dem Verlag leben könnt?

Dominik: Wir hoffen es natürlich. Aber mir ist klar, dass dazu sehr viel Glück gehört. Vor allem, wenn man wie wir nicht mit einem hohen Grundkapital in den Markt startet. Neben der Qualität spielt ja auch immer die Quantität eine wichtige Rolle.

Rowohlt bringt jährlich 300 Bücher heraus, wir drei bis vier. Für mehr haben wir bislang einfach kein Budget.

Michael: Aus einer kleinen Kontaktanzeige vor 17 Jahren ist eine Freundschaft gewachsen, die alles möglich macht. Der gemeinsame Verlag verbindet uns noch mehr. Wir sind Freunde, die zusammen Abenteuer erleben – wie Bibi und Tina.

OF: Wie seht ihr die Zukunft der Buchbranche?

Dominik: Gesund schrumpfend. Ich glaube, das Buch wird überleben, aber sich weniger verkaufen. Jobs in der Buchbranche, bei den großen Verlagen, werden sicherlich abgebaut werden müssen.

Michael: Ich glaube eher, dass die großen Verlage bestehen bleiben und die Kleinen noch mehr kämpfen müssen.

Dominik: Das sehe ich anders. Independent-Verlage werden sich in Zukunft viel leichter tun, weil sie flexibler sind. Wenn ich ein Großverlag mit 200 Angestellten bin, habe ich ganz andere Abhängigkeiten.

Operiere ich aber zu dritt aus einem 2-Zimmer Büro heraus, kann ich viel flexibler auf Marktgegebenheiten reagieren.

Michael: Als etabliertes Kulturvehikel werden Bücher immer einen Platz haben – sei es in Schulen, an Universitäten etc. Ich glaube fest daran, dass man selbst in einer festgefahrenen, hierarchisch strukturierten Buchbranche immer noch Räume finden kann, um Bücher zu publizieren, die für andere Menschen interessant sind.

Aus dieser Überzeugung heraus haben wir 2015 den Verlag gegründet, selbst oder gerade in einer Zeit, in der es heißt, das Buch ist tot. Wenn die Buchbranche stirbt, möchten wir wenigstens auf ihrem Grab tanzen.

Das Interview führte Marion Wittfeld

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